Glockenkrieg
Auf «Bim Bim»-Geräusche folgen auch Trillerpfeifen - 67-Jähriger sorgt in sächsischen Gemeinde für Aufruhr Von AP-Korrespondent Frank Ellmers =
Lomnitz / Eine kleine Glocke hat es in der sächsischen Gemeinde Lomnitz bei Radeberg geschafft, ein ganzes Dorf in Aufruhr zu versetzen. Ein pensionierter Oberlehrer aus Baden-Württemberg zieht mit Topfschlagen und Trillerpfeifen gegen die Türglocke seiner Nachbarin seit Monaten zu Felde. Jedes Mal, wenn jemand die 50-Jährige in seinem Nachbarhaus besuchen will, macht es «Bim Bim».
Dann gehen bei dem Pädagogen die Fenster auf, und er antwortet auf seine Weise. Auf großen Transparenten, die vor seinem Haus angebracht waren, forderte der 67-Jährige «Weg mit der Glocke». Die pfiffigen Bewohner von Lomnitz antworteten auf ihre Weise. Sie drehten den Spieß um und tauften den Seitenweg auf den Namen «Weg mit der Glocke.» Der Bürgermeister von Wachau, Michael Eisold, findet das Ganze gar nicht lustig. Mittlerweile sei man bei Strafanzeigen angekommen.
Der Glockenkrieg sei nur die Spitze eines Eisberges. Begonnen habe der Krach in dem 1.000 Einwohner großen Ortsteil Lomnitz Ende 1997, als der frühere Oberlehrer mit seiner 32 Jahre alten Lebensgefährtin aus einem kleinen Ort bei Freiburg nach Sachsen gekommen sei. Von diesem Zeitpunkt an habe es Anzeigen und Dienstaufsichtsbeschwerden gehagelt. Mal weil ein Auto am Straßenrand in der Dorfmitte falsch geparkt habe, mal wegen Lärmbelästigung.
Der Oberlehrer habe einfach gegen jeden und alles gestritten, sagte Eisold. Als ein Hund vom Nachbarn mal gebellt habe, seien bei ihm die Fenster aufgesprungen und er habe mit Trillerpfeifen auf das Bellen reagiert. «Dadurch wurde das Tier erst richtig verrückt.» Auch ein Bauer musste dran glauben. Als er, wie auf dem Lande üblich, seine Sense schärfen wollte, antwortete der Streitsüchtige mit Hammerschlägen gegen einen Blechtopf.
Der Wachauer Bürgermeister hat mittlerweile einen dicken Aktenordner mit rund 100 Vorgängen. Für ihn sei das auch kein Ost-West-Konflikt, sondern ein rein menschliches Problem. Die Sachsen seien schon sehr verträglich und auch zu Baden-Württemberg gebe es die besten Kontakte. «Aber so was Extremes ist mir noch nicht untergekommen.» Schluss mit seiner Geduld war Ende vergangen Jahres. Da habe der Schwabe ein Transparent mit der Aufschrift angebracht: «Kampfgruppen Micha und seine roten Socken mit ihren Heucheleien zu zeitig frohlocken», erzählte Eisold. Gemeint war er selbst. Was folgte war auch klar: Strafanzeige wegen Amtsbeleidigung.
In Lomnitz schütteln alle nur noch den Kopf über die Zugereisten. Auf Tüchern, die Jugendliche an der Straße angebracht haben, steht weithin sichtbar: «Die Glocke muss bleiben - keine Chance den Topfdeckeln und Pfeifen.» Ein Frührentner sieht das so: «Ich wohne neben der Feuerwehr und habe neue Fenster eingebaut.» Seitdem höre er so gut wie nichts mehr und der rege sich über eine Glocke auf.
Eisold blickt ratlos in die Zukunft, wenn es um Lomnitz und den Oberlehrer geht. Eigentlich sei es schade um die Zeit, sich damit zu beschäftigen. Irgendjemand müsse vermitteln, aber wer das sei, wisse er auch nicht. Immerhin mache der Karnevalsverein seine Späße darüber.